Medienberichte

Selbständig | Ivo Knill
Pferdelektionen
Christine Glasow bringt Männern gute Führung bei.


«Nicht auf den Schacht schauen!», höre ich die Stimme hinter mir. Natürlich schaue ich immer auf den Schacht, auf die Holzbeige und zu den Schweinen im Gehege am Wegrand. Aber genau das soll ich nicht tun! Ich lerne nämlich gerade meinem Pferd das Scheuen abzugewöhnen. Die Regel Nummer eins lautet: Schau nicht auf das Hindernis, sondern auf das Ziel. Pferde sind Fluchttiere, sie beherrschen die Kunst, in Aufruhr zu geraten. Zur Kunst des Reitens gehört es, die Aufruhr zu meistern. Das ist eine hervorragende Übung zum Umgang mit dem, was in uns selbst die Begabung zur Aufruhr hat: Ärger, Wut, Enttäuschung – alles, was den Nacken steif macht und ganze Tage, ja Wochen und Monate vergiften kann. Jetzt aber sitze ich auf meinem Pferd, lerne am Schacht vorbei zu reiten und lerne, den Blick nach vorne zu richten. Meine Lehrerin ist Christine Glasow. Sie ist selbständig und verbindet die Arbeit mit Pferden mit Coaching für Führungs- personen und Standortbestimmung für Menschen in jeder Lebensphase. Ich bin offiziell nur in der Reitstunde, aber was ich hier lerne, gilt fürs Leben, zum Beispiel auch das, was ich Prinzip der zwei Hände nenne: Die Hand, die das Pferd führt, soll immer leicht und beweglich sein. Die andere Hand begrenzt und gibt Nachdruck, wenn nötig mit der Peitsche. Sie ist nötig, um den Pferd zu zeigen, dass man wirklich auch will, worum man es bittet. Bei der kleinsten Regung des Pferdes in die richtige Richtung lässt man Druck augenblicklich los und belohnt damit das Pferd. Die Arbeit mit Pferden ist etwas Wunderbares. Man ist draussen in der Sonne, im Regen, im Staub oder auf dem Ritt durch den weiten Jura. In uns wird alles wach, was uns mit den Tieren verbindet – und das ist viel. In ihrem Führungs-Coaching setzt Glasow auf drei Prinzipien, die aus der Arbeit mit Pferden abgeleitet sind: Gute Führung
1. Wertschätzung und Achtsamkeit. «Ich muss das Gegenüber achten und in seiner Art wertschätzen», sagt sie. «Ich nehme das Pferd als Wesen wahr, das ich gerne habe und mit dem ich eine positive Beziehung aufbauen will. Als Führungskraft achte ich den Menschen, so wie er ist. Ich schätze ihn und bin bestrebt, eine gute Kooperation aufzubauen. Wer in Sitzungen als Chef SMS liest, wer im Mitarbeitergespräch z erstreut in den Papieren wühlt und aus dem Fenster schaut, lebt dem Prinzip der Wertschätzung nicht wirklich nach.»
2.Respekt «Respekt baue ich auf, indem ich authentisch bin. Ich kommuniziere klar. Ich bin eindeutig und lesbar. Für die Arbeit mit Pferden heisst das: Das Pferd bekommt von mir klare Anweisungen: vorwärts, rückwärts, schneller, langsamer. Es heisst auch: Ich treibe von hinten an, ich bringe es dazu, sich nach meinem Kommando zu bewegen. Als Chef führe ich meine Mitarbeiter mit klaren Zielen und Aufgaben, die sie erfüllen können. Man kann nicht führen ohne zu fordern. Schlechte Führung funktioniert über Angst und Drohungen, sie setzt unklare Ziele und verunmöglicht dem Mitarbeiter, seine Arbeit gut zu machen, weil sie unklar definiert ist.»
3. Vertrauen «Vertrauen wird einem geschenkt. Beim Pferd heisst das: Ich kann von vorne führen, es richtet sich nach mir aus und ich bekomme seine Aufmerksamkeit. Für Pferde ist es überlebenswichtig, dass sie dem Leittier trauen können. Sie müssen rennen, wenn die Leitstute rennt. Pferde testen darum immer wieder, ob sie ihrem Leittier oder dem Menschen trauen können. Wenn sie kein Vertrauen haben, wird es für den Menschen gefährlich: Dann entscheidet das Pferd und rennt im Zweifelsfall vor der Holzbeige davon. In der Arbeitswelt kann sich fehlendes Vertrauen darin zeigen, dass jeder Entscheid hinterfragt wird.»
Die Lehre überzeugt. Und wie gesagt: Nicht auf den Schachtdeckel schauen! Freude behalten. Wahrscheinlich sind wir mehr Tier als Mensch, gerade dort, wo wir fühlen und empfinden. Pferde bergen in sich unglaublich viel Wildheit, sie bleiben immer ein grosses Stück weit ungezähmt. Sie sind stärker als der Mensch. Was immer sie dem Menschen an «Gehorsam» leisten, ist letztlich eine grossherzige Bereitschaft zur Kooperation.

Pferdelektionen Christine Glasow bringt Männern gute Führung bei.
Christine Glasow hat sich 2006 selbständig gemacht, 2008 hat sie ihr Coaching als GmbH aufgebaut, deren Inhaberin und Geschäftsführerin sie ist. www.glasow.ch

(Artikel von Ivo Knill, Redaktor Männerzeitung, September 2012)

Persönlichkeitsschulung mit Hilfe von Pferden

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